Presseinformation 07.06.05
Förderpreise für drei Nachwuchswissenschaftler
Die Förderpreise sollen die Bearbeitung von Natur- und Umweltschutzthemen fördern - Preisgeld je 2500 Euro
München, 7.6.05. Am 4. Juni wurden zum vierten Mal die Förderpreise Wissenschaft der Gregor Louisoder Umweltstiftung für Studenten in umwelt- bzw. naturschutzrelevanten Studiengängen verliehen. Jeweils 2500 Euro Preisgeld erhielten die Verfasser der ausgezeichneten Diplomarbeiten Claudia Bräuniger ("Biodiversität in urbanen Schutzgebieten"), Raphael Treffny ("Der Ökologische Fußabdruck der Münchner") und Miklas Hahn ("Kulturlandschaft und Bildung") bei der Preisverleihung im Rahmen der 10-Jahres-Geburtstagsfeier der Gregor Louisoder Umweltstiftung
Im Anhang finden Sie Kurzinformationen zu den prämierten Arbeiten und die Laudatio. Ausführliche Zusammenfassungen finden Sie hier im >Archiv>Förderpreise Wissenschaft.
Mit den "Förderpreisen Wissenschaft" will die Stiftung Nachwuchswissenschaftler ermutigen, gerade auch Themen und Problemfelder zu bearbeiten, die nicht automatisch eine Industriekarriere oder Begeisterung bei potentiellen Arbeitgebern in der Verwaltung versprechen. "Gerade der Natur- und Umweltschutz braucht in Zukunft mehr denn je qualifizierte und engagierte Wissenschaftler, die nicht nur auf eine möglichst schnelle Karriere in der Industrie starren, sondern sich für eine nachhaltige und ökologische Entwicklung engagieren. Der Grundstein dafür wird spätestens bei der Wahl des Diplomarbeitsthemas gelegt", so Claus Obermeier, Vorstandsvorsitzender der Stiftung bei der Vorstellung der Preisträger. Im einzelnen werden die Förderpreise für Abschlussarbeiten in den Studienschwerpunkten Biologie / Geo- und Umweltwissenschaften, Forst- und Agrarwissenschaften und Wirtschaftswissenschaften vergeben, weitere Informationen enthält die Ausschreibung (>Förderpreise). Die Jury bestand aus Dr. Manuel Schneider (Projektbüro make sense), Dipl. Geogr. Claus Obermeier und Dipl. Kaufmann Bernd Louisoder.
Weitere Informationen zur Gregor Louisoder Umweltstiftung finden Sie auf dieser Homepage.
Raphael Treffny: Der "Ökologische Fußabdruck" der Münchner.
Eine Analyse der Lebensweise der Einwohner Münchens durch einen Indikator der Nachhaltigkeit
Diplomarbeit Geographie, Ludwig-Maximilians-Universität München - WS 2003/2004
Das Leben der Menschen geht nicht spurlos an der Natur vorbei. Wir Menschen sind vielfältig auf Natur angewiesen und nutzen sie für ihre Zwecke: Sie liefert die Pflanzen, Früchte und Tiere, von denen wir leben, die Baustoffe für unsere Häuser, die Energie, mit der wir diese beheizen oder uns mit Verkehrsmitteln fortbewegen. Die Natur sorgt aber auch dafür, dass wir nicht im Abfall ersticken: Sie regeneriert die Luft und das Wasser, sie wandelt organischen Abfall in wertvoller Mutterboden und dient schlussendlich als Deponie für all das, was sich nicht mehr wiederverwerten lässt. Die meisten Güter und Dienstleistungen, die der Mensch täglich in Anspruch nimmt, benötigen von ihrer Bereitstellung bis zur Entsorgung Energie und Ressourcen, welche von der Natur - in begrenztem Umfang - zur Verfügung gestellt werden.
Nicht der Naturverbrauch als solcher ist ein Problem, wohl aber der Umfang und die Eingriffstiefe, mit der dies geschieht. So gilt es nicht nur, die Natur vor Zerstörung und Überbeanspruchung zu schützen; es geht im Kern immer auch um eine Frage der Gerechtigkeit: Wie viel Natur steht jedem von uns zu? Wieviel Natur dürfen wir für uns in Anspruch nehmen, ohne sie unrechtmäßig anderen, die sie vielleicht dringender benötigten, vorzuenthalten? Es ist das Verdienst der mit dem Förderpreis ausgezeichneten Diplomarbeit von Raphael Treffny, diese elementaren Fragen von Ökologie und Gerechtigkeit an einem konkreten Beispiel erneut aufgegriffen zu haben. Der Autor untersucht die Lebensweise der Münchner und geht der Frage nach, ob diese als "nachhaltig" bezeichnet werden kann. Hierfür ermittelt der Verfasser den durchschnittlichen Pro Kopf-/Naturverbrauch der Münchner in den fünf Feldern Ernährung, Wohnen, Verkehr, Konsumgüter und Abfall.
Mit Hilfe eines Nachhaltigkeitsindikators wird sodann der "ökologische Fußabdruck" errechnet, der mit unserer Lebensweise verbunden ist. Die Größe des Fußabdrucks (gemessen in Hektar) entspricht der Fläche, die von der Bevölkerung benötigt wird, um die benutzten Ressourcen (etwa die Pflanzen, die der Ernährung dienen) bereitzustellen und die Abfallprodukte aufzunehmen. Durch einen Vergleich mit der insgesamt zur Verfügung stehenden biologisch produktiven Fläche des Planeten Erde kann auf diese Weise festgestellt werden, ob die Flächeninanspruchnahme pro Kopf das für jeden Erdenbürger rein rechnerisch global vorhandene Flächenangebot überschreitet. Eine Überbeanspruchung des Flächenangebots bedeutet eine nicht-nachhaltige Lebensweise.
Die Methode, die der Verfasser anwendet, ist nicht neu. Sie wurde vor rund zehn Jahren von Mathias Wackernagel und William Rees entwickelt. Der "ökologische Fußabdruck" ist ein quantitativer Umweltindikator, der über ein - z.T. recht kompliziertes - Verrechnungsverfahren die unterschiedlichen Beanspruchungen von Natur in ein einheitliches Flächenmaß (Hektar) umrechnet. Der Verfasser wendet dieses komplexe Verfahren souverän an und reflektiert auch die immanenten Probleme und Vorannahmen der Methodik.
Das Ergebnis überrascht nicht - und ist dennoch eindrücklich: Es konnte nachgewiesen werden, dass mindestens ein weiterer Planet von der Größe der Erde notwendig wäre, um die Lebensweise der Einwohner Münchens in nachhaltiger Weise auf alle Erdbewohner zu übertragen. In Zahlen: Der ökologische Fußabdruck der Münchner Bürger umfasst eine Fläche von über 3,9 Millionen Hektar. Das entspricht einer jährlichen Flächeninanspruchnahme pro Kopf von 3,1 Hektar. Vergleicht man diesen Wert mit der weltweit zur Verfügung stehenden bioproduktiven Fläche pro Kopf so ergibt sich, dass die Einwohner Münchens dieses Flächenangebot um mehr als das doppelte überschreiten. Negativ in dieser Münchner Bilanz fallen v.a. die Bereiche Restmüll, Sperrmüll und Nahrungsmittel tierischer Herkunft auf, die zusammen bereits 44 Prozent des Naturverbrauchs ausmachen. Die Arbeit endet denn auch mit Empfehlungen, sich bei der ökologischen Bildungs- und Aufklärungsarbeit im Rahmen der kommunalen Agenda21-Prozesse auf diese Kernbereiche zu konzentrieren.
Viele reden von "Nachhaltigkeit". Und doch bleibt oft vage, was Nachhaltigkeit konkret bedeutet und vor allem: wie sich der Grad an Nachhaltigkeit, den eine Gesellschaft erreicht hat, "messen" lässt. Diese Lücke kann mit dem vorliegenden Ansatz geschlossen werden. Der Verfasser wählt zu diesem Zweck mit dem "ökologischen Fußabdruck" einen quantitativen Indikator für den Naturverbrauch; dieses quantifizierende Verfahren hat in einer Gesellschaft, die auf Zahlen fixiert ist, einen hohen Wert. Letztlich zielt die Arbeit jedoch auf qualitative Fragen des Lebensstils: Welche Form von Wohlstand "gönnen" wir uns, und welchen Wohlstand enthalten wir damit anderen Menschen vor? Für diese Lebensstilfragen sensibilisiert die mit dem Förderpreis ausgezeichnete Diplomarbeit, und sie gibt darüber hinaus konkrete Hinweise für die Umweltbildungsarbeit in einer Stadt wie München, von denen man nur hoffen kann, dass sie von den Verantwortlichen aufgegriffen werden.
Miklas Hahn: Kulturlandschaft und Bildung.
Ein konzeptioneller Ansatz zur Kommunikation über Kulturlandschaft unter Berücksichtigung von Ausbildungsangeboten für Kulturlandschaftsführer
Magisterarbeit Angewandte Kulturwissenschaft/Kulturgeographie - Universität Lüneburg - Mai 2004
Auch in der zweiten Arbeit, die mit dem diesjährigen Förderpreis ausgezeichnet wird, geht es um Spuren, die der Mensch in der Natur hinterlässt. Was wir als Natur bezeichnen ist meist bereits gestaltete Natur, geschichtlich und gesellschaftlich geprägt. Geprägt nicht nur in ihrem Erscheinungsbild als "Kulturlandschaft", sondern geprägt auch in der Art und Weise, wie sie wahrgenommen wird. So ist z.B. die Landschaft der Lüneburger Heide für den Bauern weitgehend "unnütz", "verlorenes Ackerland", während sie dem Städter seit der Industrialisierung als Stätte der Erholung gilt. Landschaften wie diese sind ein Spiegel der Gesellschaft und ihrer unterschiedlichen und geschichtlich sich wandelnden Nutzungs- und Gestaltungsinteressen an Natur. Insbesondere im Zuge der verstärkten Intensivierung der Landwirtschaft nach dem Zweiten Weltkrieg und dem Auswuchern der Städte in den ländlichen Raum hinein wandelte sich vielerorts die bäuerlich geprägte Kulturlandschaft. Der vielgestaltige Charakter einer Landschaft weicht zunehmend veramten und standardisierten Strukturen. Landschaften verlieren ihre ästhetischen und soziokulturellen Qualitäten sowie ihre Eigenart und Vielfalt. Die weitere Entwicklung der Kulturlandschaft hängt entscheidend davon ab, dass Entstehung, Erhalt und Weiterentwicklung von Kulturlandschaften zu einem öffentlichen Anliegen wird.
Hierzu leistet die vorliegende Magisterarbeit von Miklas Hahn einen beachtlichen Beitrag. Sie beschreibt im historischen Rückgriff die Entstehung und den Wandel der Kulturlandschaft und des Landschaftsbegriffs und analysiert die verschiedenen sozialen, ökologischen und ökonomischen Funktionen von Landschaften. Der Verfasser zeigt auf, wie in den Vorstellungen von dem, was als "Kulturlandschaft" empfunden wird, deskriptiv-historische Elemente mit normativ-ästhetischen Erwartungen eine kaum lösbare Verbindung eingehen. Es kann gezeigt werden, wie in dem heutigen, breiten Bedeutungsspektrum des Landschaftsbegriffs eine seit dem 9. Jahrhundert historisch gewachsene, eher politische Vorstellung von Landschaft im Sinne von "territorium" (Siedlungsraum) verschmilzt mit einer primär ästhetischen Auffassung von Landschaft als gemalter und künstlerisch gestalteter "schöner" Natur. Das heutige Verständnis von "Landschaft" verbindet die beiden politischen und ästhetischen Wurzeln des Landschaftsbegriffs. Des Weiteren arbeitet der Verfasser die Unterschiede zwischen dem alltäglichen, mit zahlreichen Bedeutungen "aufgeladenen" Verständnis von Landschaft und dem der Wissenschaft heraus, das Idealisierungen und normative Aspekte weitgehend versucht auszublenden und in der Landschaft lediglich einen "naturräumlichen Komplex von Ökosystemen" sieht.
Die zweite zentrale Frage, der Miklas Hahn in seiner Arbeit nachgeht, bezieht sich auf die kommunikative Vermittlung der soziokulturellen Bedeutung von Kulturlandschaft. Welche Erfahrungen, Möglichkeiten und Formen gibt es, die Bedeutung der Kulturlandschaft in Bildungsprozessen einer möglichst breiten Öffentlichkeit nahe zu bringen? Im Zentrum stehen dabei Überlegungen zur Didaktik einer schulischen und außerschulischen Kommunikation über Kulturlandschaft. So werden die in einigen Ländern bereits bestehenden Ausbildungsangebote für "Kulturlandschaftsführer" ausgewertet. Die Arbeit mündet in einem didaktischen Modell für die Kommunikation über Kulturlandschaften im Bereich von Bildungs- und Freizeitangeboten.
Der mit dem Förderpreis ausgezeichneten Arbeit gelingt es, durch die gelungene Verbindung verschiedener Wissenschaftsdisziplinen ein facettenreiches Bild von der vielfältigen Bedeutung der Kulturlandschaften für unsere Gesellschaft zu zeichnen. Und sie zeigt zugleich praxisnahe Möglichkeiten auf, wie die Kultur einer Landschaft, die sich oft dem Unkundigen verschließt, für die Menschen wieder sichtbar und erfahrbar wird: ein wichtige Voraussetzung für die gesellschaftliche Wertschätzung und damit den Erhalt und die Weiterentwicklung von Kulturlandschaften.
Claudia Bräuniger: Biodiversität in urbanen Schutzgebieten -
Untersuchungen des Artenreichtums ausgewählter Artengruppen auf der Mesoskala in der Stadt Halle (Saale)
Diplomarbeit Geoökologie - Universität Potsdam - WS 2003/04
Wer an Natur denkt, der denkt zuletzt an Städte mit ihren Häusern, Straßen und versiegelten Flächen. Die Natur selbst sieht das offenbar anders. Immer wieder liest man Berichte von der überraschend hohen Artenvielfalt gerade in Städten. Von Seiten der Kommunen wird versucht, diese Vielfalt durch die Ausweisung von Schutzgebieten zu erhalten oder gar zu steigern. Die mit dem Förderpreis der Gregor Louisoder Umweltstiftung ausgezeichnete Diplomarbeit von Claudia Bräuniger ist diesem Aufgabenfeld städtischen Naturschutzes gewidmet und zugleich ein wissenschaftlich profunder Beitrag zu der relativ jungen Disziplin der "urbanen Biodiversitätsforschung". Die Verfasserin untersucht den Artenreichtum in den 28 Schutzgebieten der Stadt Halle. Auf der Basis umfangreichen Datenmaterials geht die Arbeit zwei Themenkomplexen nach:
Zunächst der Frage, ob das Vorhandensein einer Artengruppe mit dem Vorhandensein einer anderen Artengruppe einhergeht, so dass man sich auf die Beobachtung dieser Leitarten konzentrieren könnte? Und damit zusammenhängend die Frage, ob diese Artengruppen auf dieselben Landschaftsmerkmale reagieren? Hier konnte die Arbeit nachweisen, dass z.B. das Auftreten von Flechten und Moosen, Moosen und Gefäßpflanzen sowie der Schmetterlinge mit den Laufkäfern positiv korrelieren. Das heißt, man kann von der hohen Artenzahl der einen Artengruppe auf das Vorkommen bzw. auf eine hohe Artenzahl der anderen Artengruppe schließen (sog. "Mitnahmeeffekt"). Durch diese Ergebnisse ist es möglich, das Monitoring und Biodiversitäts-Managements zu vereinfachen und den Erfassungsaufwand zu reduzieren, indem man sich auf die Untersuchung entsprechender Ziel- bzw. Leitarten konzentriert.
Der zweite Teil der Arbeit geht der Frage nach, welche landschaftlichen Strukturmerkmale die Artenzahl beeinflussen? Diese Untersuchung zielt auf die weitere Festlegung von Schutzzonen und gibt Hinweise darauf, auf welche Landschaftsmerkmale (z.B. Bodentypen oder Biotoptypen) zu achten ist. Hinsichtlich des Einflusses der Landschaftsstruktur hat sich ergeben, dass die Flächengröße des Schutzgebietes das wichtigste Landschaftsstrukturmaß ist, auf das alle angegebenen Artengruppen mit hohen Artenzahlen reagieren. Also: Je größer die Fläche, desto höher die Artenzahl. Damit zusammen hängt der Aspekt der Habitatvielfalt. Größere Areale enthalten mehr Arten, weil sie in der Regel mehr unterschiedliche Habitate besitzen.
Die Arbeit ist wissenschaftlich von hohem Niveau und großer Detailliertheit - zumal für eine Diplomarbeit, die unter zeitlichen Beschränkungen erarbeitet werden muss. Fragestellung und Untersuchungsgebiet sind durchaus innovativ. Es dürfte sich um eine der ersten Untersuchungen handeln, die den verschiedenen Korrelationen zwischen Artenreichtum und Landschaftsstruktur im urbanen Bereich nachgegangen ist. Die Arbeit geht methodisch sehr umsichtig vor, hat einen klaren Aufbau, entwicklet präzise Fragestellungen und besticht durch den souveräner Umgang mit den verschiedenen statischen Verfahren. Die Diplomarbeit von Claudia Bräuniger ist eine wegweisende Studie für die weitere Naturschutzarbeit in der Stadt Halle - ihre Ergebnisse sind darüber hinaus von hohem Wert für die urbane Biodiversitätsforschung.
Dr. Manuel Schneider, Projektbüro make sense
Ihr Ansprechpartner für Rückfragen:
Claus Obermeier, Vorstandsvorsitzender
Email info@umweltstiftung.com
Tel. 089/54212142
Fax 089/52389335
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