Presseinformation 30.11.11

Förderpreise Wissenschaft verliehen–

Stefan Nertinger wird für seine Arbeit zum Carbon Footprinting ausgezeichnet


München, 30.11.2011. Am 30. November 2011 wurden zum zehnten Mal (26. Preisträger) die Förderpreise Wissenschaft der Gregor Louisoder Umweltstiftung für Nachwuchswissenschaftler in umweltrelevanten Studiengängen verliehen. 2500 Euro Preisgeld und eine zusätzliche Förderung  erhielt  Stefan Nertinger für seine Diplomarbeit „Methoden des Carbon Footprinting zur Beurteilung der Nachhaltigkeit – an den Fallstudien Betapharm Arzneimittel und Prolignis Energie Consulting“ (Diplomarbeit im Fach Betriebswirtschaftslehre an der Universität Augsburg, 2009).

Weitere Informationen zum Preisträger und zur ausgezeichneten Diplomarbeit finden Sie in der Anlage.

Mit den „Förderpreisen Wissenschaft“ will die Stiftung Nachwuchswissenschaftler ermutigen, gerade auch Themen und Problemfelder zu bearbeiten, die nicht automatisch eine Industriekarriere oder Begeisterung bei potentiellen Arbeitgebern in der Verwaltung versprechen. „Gerade der Natur- und Umweltschutz braucht in Zukunft mehr denn je qualifizierte und engagierte Wissenschaftler, die nicht nur auf eine möglichst schnelle Karriere in der Industrie starren, sondern sich für eine nachhaltige und ökologische Entwicklung engagieren“, so Claus Obermeier, Vorstand der Stiftung bei der Vorstellung der Preisträgers.

Im Einzelnen werden die Förderpreise für Abschlussarbeiten und Dissertationen in den Studienschwerpunkten Biologie / Geo- und Umweltwissenschaften, Forst- und Agrarwissenschaften und Wirtschaftswissenschaften vergeben. Weitere Informationen enthält die Ausschreibung (www.umweltstiftung.com >Förderpreise). Die Jury bestand aus Dr. Manuel Schneider (Projektbüro make sense), Dipl. Geogr. Claus Obermeier und Dipl. Kaufmann Bernd Louisoder.
info@umweltstiftung.com


Stefan Nertinger

Methoden des Carbon Footprinting zur Beurteilung der Nachhaltigkeit – an den Fallstudien Betapharm Arzneimittel und Prolignis Energie Consulting

Diplomarbeit im Fach Betriebswirtschaftslehre an der Universität Augsburg 2009

Hier finden Sie die Druckfassung als PDF

Problemstellung
Im Zuge der aktuellen Klimadebatte spielt die Erfassung der CO2-Belastung, die von Unternehmen und ihren Produkten ausgeht, eine zunehmende Bedeutung. Dies nicht nur in den Branchen, in denen der Emissionshandel bereits etabliert wurde, sondern auch dort, wo die Erfassung der Klimagase noch keine unmittelbare ökonomische Bedeutung für die Unternehmen hat. „Carbon Footprinting“ lautet die Losung: ein Verfahren, mit dem bei Unternehmen, Dienstleistungen oder auch einzelnen Produkten der Ausstoß von Kohlendioxid und anderen Treibhausgasen quantitativ erfasst wird. Carbon Footprinting und die entsprechende Firmenkommunikation wirkt sich nicht nur auf das Ansehen und Image eines Unternehmens in der Öffentlichkeit aus; es dient auch – aufgrund der Korrelation von CO2-Belastung und ökonomischen Kosten – als Instrument der innerbetrieblichen Effizienzsteigerung und des Nachhaltigkeitsmanagements. Mittlerweile orientieren sich selbst Investoren am Carbon Footprint und ziehen die betriebliche Kohlenstoffnutzung als einen Aspekt ihrer Investitionsentscheidung (neben anderen Kennziffern) mit ins Kalkül. Trotz dieser wachsenden Bedeutung des Carbon Footprinting gibt es nach wie vor kein europaweit standardisiertes Verfahren zur Ermittlung des Footprints und zur Erstellung von Treibhausgasbilanzen eines Unternehmens. Als aussichtsreichster Kandidat für einen solchen Standard hat sich in jüngster Zeit das Green House Gas Protocol (GHGP) erwiesen. Es ist die am häufigsten verwendete Methode zur Quantifizierung der Treibhausgasemissionen von Unternehmen, Organisationen und Behörden (für Güter und Dienstleitungen hingegen wird auf den PAS2050-Standard zurückgegriffen, der auf einer Lifecycleanalysis basiert). Ziel der Arbeit ist es, anhand zweier Fallstudien aus unterschiedlichen Branchen die Stärken und Schwächen des Green House Gas Protocols zu ermitteln sowie das Verfahren weiterzuentwickeln und entsprechende (branchenspezifische) Standards vorzubereiten. Ziel ist es, eine möglichst umfassende und vor allem transparente Erfassung der Klimagasemissionen zu entwickeln, die einen Missbrauch („Greenwashing“) versucht zu erschweren.

Aufbau
Nach einer kurzen Einführung in die Gesamtthematik steht im Zentrum der Arbeit die ausführliche Analyse des Carbon Footprints anhand zweier Firmenbeispiele, die sehr unterschiedlichen Branchen entstammen: Unter Rückgriff auf entsprechende Unternehmensdaten wird der Carbon Footprint eines Biomassekraftwerks und der eines Generika-Unternehmens der Pharmabranche zunächst getrennt erfasst und in verschiedenen Modelle berechnet, um dann mit Kennzahlen aus den jeweiligen Branchen branchenintern verglichen sowie branchenübergreifend miteinander in Bezug gesetzt zu werden. Dies bildet vom Umfang und von der Analysetiefe her den Hauptteil der Arbeit. In einem weiteren Kapitel wird der dabei angewandte internationale Standard zu Erfassung des CO2-Belastungen, das Green House Gas Protocol (GHGP), einer kritischen Analyse unterzogen. Auf dieser Basis wird in einem abschließenden Teil diskutiert, ob und inwieweit der Carbon Footprint geeignet ist, die Nachhaltigkeit eines Unternehmens zu erfassen und mit einer entsprechenden Kennziffer zu operationalisieren. Diese Diskussion wird erneut auf die beiden Fallbeispiele bezogen, so dass konkret aufgezeigt werden kann, welche Aspekte von Nachhaltigkeit der Carbon Footprint erfasst – und welche nicht. Die Arbeit schließt mit einer kritischen Würdigung des Carbon Footprints als Nachhaltigkeitsindikator. Sie zeigt auf, dass der Footprint allein für eine umfassende Bewertung von Nachhaltigkeit zwar nicht hinreichend geeignet ist; dass er jedoch durchaus ein wichtiges Steuerungsinstrument im Nachhaltigkeitsmanagment eines Unternehmens sein kann. Zudem macht der Verf. deutlich, welche Anforderungen – etwa hinsichtlich der Auswahl von Bezugsgrößen und der Festlegung der Systemgrenzen – an den Carbon Footprint und das Green House Gas Protocol (GHGP) in Zukunft gestellt werden müssen, damit dieses Instrument für die Bestimmung des Nachhaltigkeitsniveaus eines Unternehmens sinnvoll und branchenspezifisch angewendet werden kann.

Würdigung
Es ist ein Verdienst der vorliegenden Studie, dass sie sich in einer umsichtigen, sowohl theoretisch anspruchsvollen wie empirisch gestützten Art und Weise um eine Weiterentwicklung dieses Standards bemüht. Im Zentrum der Fallbeispielanalysen steht dabei die Diskussion der jeweiligen Systemgrenzen und Geltungsbereiche („scopes“) von Emissionen: je nachdem, ob nur die unmittelbaren Emissionen etwa des Herstellungsprozesses oder ob auch die der Zulieferer, der Nutzer bzw. der Entsorgung mit berücksichtigt werden, fällt der Carbon Footprint höchst unterschiedlich aus. Ohne entsprechende Angaben über die jeweils gezogenen System- und Erfassungsgrenzen sowie über die Methodik der Datenerhebung ist der Carbon Footprint kaum aussagekräftig. Vor allem der brancheninterne Vergleich („bench marking“) setzt eine Einigung über die Erfassung und jeweilige Gewichtung der unterschiedlichen scopes voraus. Die Arbeit liefert für die beiden untersuchten Unternehmensbranchen wichtige Hinweise darauf, wie die Systemgrenzen sinnvollerweise zu ziehen sind, damit der Carbon Footprint eine realitätsnahe Erfassung der Klimabelastung darstellt. Als entscheidend für die Treibhausgasbilanz haben sich die sog. „Scope-drei“-Emissionen erwiesen. Darunter versteht man Emissionen, die z.B. mit der Herstellung von Produktionsmitteln, mit ausgelagerten Produktionsbereichen, dem Gebrauch der Produkte, aber auch mit der Abfallbeseitigung zusammenhängen. Die Erstellung und Veröffentlichung von Scope-drei-Emissionen ist gemäß dem GHGP bislang jedoch noch nicht verpflichtend. Der Verf. weist zurecht darauf hin, dass die Bilanzierung von bekanntermaßen erheblichen Umweltaspekten, die im Bereich der Scope-drei-Emissionen liegen, in den jeweiligen Branchen notwendig ist, um die Vergleichbarkeit und Genauigkeit von Carbon Footprints zu gewährleisten. Andernfalls, wenn die Systemgrenzen willkürlich festgelegt und die Berechnungsmethoden der CO2-Belastung frei gewählt werden, ist dem „Greenwashing“ Tür und Tor geöffnet. Die Verwendung des GHGP an sich stellt noch nicht sicher, dass es sich um einen wirklich aussagekräftigen Carbon Footprint handelt. Es ist jedoch anzunehmen, dass in Zukunft eine Verschärfung der gesetzlichen Rahmenbedingungen sowie eines auf dem GHGP basierenden ISO-Standards die bisherigen Bilanzierungsfreiheiten stark einschränken werden. Die Arbeit macht deutlich, dass der Carbon Footprint allein sicher nicht die „Nachhaltigkeit“ eines Unternehmens erfassen kann; ja, nicht einmal die ökologische Dimension von Nachhaltigkeit wird hinreichend bilanziert (so lassen sich z.B. Biodiversitätsverluste, Eutrophierung oder Flächeninanspruchnahmen nicht in CO2-Äquivalente umrechnen). Dennoch zeichnet sich ab, dass der Carbon Footprint, also die unmittelbaren Klimaauswirkungen eines Unternehmen resp. einer Dienstleistung/eines Produkts, als pars pro toto für die ökologische Nachhaltigkeitsbilanz genommen wird. Das liegt zum einen an der im Vergleich zu anderen Instrumenten relativ einfachen Erhebung sowie der leichten Kommunizierbarkeit dieses Indikators. Zum anderen gibt der bereits eingeführte Emissionszertifikatehandel und die mit ihm verbundene zunehmend restriktive Emissionspolitik gleichsam den Kurs vor, dass die CO2-Bilanz zur entscheidenden Umweltbilanz eines Unternehmens wird. Es ist daher umso wichtiger, dass die Bilanzierung der Treibhausgas-Emissionen in Zukunft transparent, standardisiert und möglichst umfassend vorgenommen wird.

Es ist daher das besondere Verdienst der Arbeit, einen wichtigen Beitrag zur notwendigen Weiterentwicklung des Carbon Footprinting geleistet zu haben. Sie bewegt sich – zumal für eine Diplomarbeit – auf hohem wissenschaftlichen Niveau und überzeugt zugleich durch eine ebenso große Praxisnähe.


Ihr Ansprechpartner für Rückfragen:
Claus Obermeier, Vorstandsvorsitzender Email info@umweltstiftung.com,
Tel. 089/54212142.

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